Die Jenaer Mikrobiologin Dr. Kathrin Fröhlich und ihr Team haben einen bisher unbekannten Überlebensmechanismus bei Bakterien entdeckt.

Notfall-Schalter: Wie Bakterien blitzschnell auf Hunger reagieren

Forschende des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben einen bisher unbekannten Überlebensmechanismus bei Bakterien entdeckt. Sie fanden heraus, dass das Süßwasserbakterium Caulobacter crescentus mithilfe eines speziellen „RNA-Schwamms“ in Sekundenschnelle seine Ernährungsstrategie umstellen kann.
Die Jenaer Mikrobiologin Dr. Kathrin Fröhlich und ihr Team haben einen bisher unbekannten Überlebensmechanismus bei Bakterien entdeckt.
Foto: Anna Schroll

Meldung vom: | Verfasser/in: Juliane Seeber
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Forschende des Exzellenzclusters „Balance of the Microverse“ an der Friedrich-Schiller-Universität Jena haben einen bisher unbekannten Überlebensmechanismus bei Bakterien entdeckt. Sie fanden heraus, dass das Süßwasserbakterium Caulobacter crescentus mithilfe eines speziellen „RNA-Schwamms“ in Sekundenschnelle seine Ernährungsstrategie umstellen kann. Dieser Trick erlaubt es dem Mikroorganismus, rasant von einer nährstoffreichen auf eine karge Umgebung zu reagieren – ein entscheidender Vorteil fürs Überleben.
Caulobacter crescentus lebt in nährstoffarmen Gewässern, wo Nährstoffe oft plötzlich knapp werden. Die große Frage der Studie, die jetzt im Fachmagazin „Nature Communications“ erschienen ist, war: Wie schafft es das Bakterium, so schnell umzuschalten, wenn die Nahrungsquelle versiegt? Das Team um die Mikrobiologin Dr. Kathrin Fröhlich hat entdeckt, wie das Bakterium im Inneren seiner Zelle zwei winzige RNA-Moleküle wie Schalter nutzt. Solange genug Nahrung da ist, hält eines davon – SisA – die Zelle im Ruhemodus. Doch sobald Hunger herrscht, springt CrfA ein: Es fungiert als molekularer Schwamm, der das SisA-Molekül buchstäblich aus dem Verkehr zieht. Dadurch wird der Weg frei, und die „Hunger-Gene“ schalten sich an. Dieser molekulare Schwamm-Mechanismus ist der Schlüssel für das blitzschnelle Umschalten. „Dieser Mechanismus ist schlichtweg genial in seiner Einfachheit“, sagt Dr. Kathrin Fröhlich. „Wir sehen, wie das Bakterium seine gesamte Nahrungsstrategie binnen Minuten neu justiert. Das ist ein Paradebeispiel dafür, wie elegant Bakterien ihre Gene kontrollieren.“

Wie das Team den RNA-Schwamm sichtbar machte

Den Mechanismus aufgedeckt haben die Forschenden mit modernsten molekularen Methoden. Mithilfe einer Technik namens RIL-Seq (RNA Interaction by Ligation and Sequencing) konnten sie erstmals zeigen, dass CrfA und SisA direkt miteinander interagieren – also tatsächlich als Paar zusammenarbeiten. Ergänzende Experimente mit RNA-seq und Reporter-Fusionen machten sichtbar, wie die Zellen ihre Gene aktivieren, sobald Nährstoffe fehlen. So ließ sich der gesamte Prozess des Umschaltens Schritt für Schritt nachvollziehen.

Molekulare Resilienz als Grundlage des „Microverse“

Die Entdeckung liefert neue Einblicke in die Widerstandsfähigkeit mikrobieller Lebensgemeinschaften. Denn die Fähigkeit einzelner Mikroorganismen, schnell auf Stress oder Nährstoffmangel zu reagieren, ist die Grundlage dafür, dass ganze mikrobielle Ökosysteme – etwa im Boden, in Gewässern oder im menschlichen Darm – stabil bleiben.

Caulobacter crescentus ist zudem ein Modellorganismus für die große Gruppe der Alpha-Proteobakterien, zu der auch viele medizinisch und ökologisch relevante Arten gehören. Damit bietet der Fund eine Blaupause für das Verständnis, wie Mikroben unter wechselnden Umweltbedingungen ihre innere Balance bewahren.

Die Widerstandsfähigkeit mikrobieller Gemeinschaften, die wir im Exzellenzcluster ,Balance of the Microverse‚ erforschen, beginnt auf der Ebene der Einzelzelle“, erklärt Kathrin Fröhlich. „Ein solch effizienter Mechanismus, wie der von uns entdeckte RNA-Schwamm, zeigt, wie Zellen ihr inneres Gleichgewicht auch unter Extrembedingungen aufrechterhalten. Solche Mechanismen sind ein zentraler Baustein, um zu verstehen, wie ganze mikrobielle Ökosysteme stabil bleiben und sich an wechselnde Umweltbedingungen anpassen – genau das steht im Fokus unserer Forschung im Cluster.

Originalpublikation:
Laura N. Vogt, Manuel Velasco Gomariz, Malte Siemers, Kai Papenfort u. Kathrin Fröhlich: „An RNA sponge directs the transition from feast to famine in Caulobacter crescentus“, in Nature Communications volume 16, Article number 9478 (2025), Doi: https://doi.org/10.1038/s41467-025-65274-1

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