Das einstige Landesamt für Rassewesen in Weimar.

NS-Eugenikverbrechen in Erinnerung rufen

Biologiedidaktiker erforschen mit Kooperationspartnern NS-Eugenikverbrechen in Thüringen
Das einstige Landesamt für Rassewesen in Weimar.
Foto: Lernort Weimar e. V.

Meldung vom: | Verfasser/in: Stephan Laudien | Zur Original-Meldung

Hunderttausende Menschen fielen ab 1934 den Eugenik-Verbrechen im Deutschen Reich und später auch in den besetzten Gebieten zum Opfer. Viele von ihnen wurden unter Zwang sterilisiert. Unter dem Deckmantel der „Euthanasie“, des Gnadentodes, wurden Menschen mit geistigen, körperlichen oder seelischen Einschränkungen schließlich als „lebensunwert“ erfasst und ab 1939 systematisch ermordet. Die NS-Eugenik-Verbrechen, obgleich wissenschaftlich erforscht, haben jedoch nur wenig Platz im öffentlichen Gedenken. „Kaum jemand weiß beispielsweise, dass sich das Thüringische Landesamt für Rassewesen in einem Gebäude befand, das heute zur Bauhaus-Universität Weimar gehört“, sagt Dr. Karl Porges. Der Biologiedidaktiker von der Friedrich-Schiller-Universität Jena hat jetzt ein Projekt begonnen, um diese Orte in Thüringen sichtbarer zu machen und in der Erinnerungskultur zu verankern. Im Projekt „Beredtes Schweigen – NS-Eugenikverbrechen und ihre Folgen“ arbeiten zahlreiche Akteure mit, darunter der Verein Lernort Weimar und das Jugendtheater Stellwerk Weimar. Gemeinsam sollen u. a. eine Graphic Novel, Fassadenprojektionen, Bildungsmedien und ein Theaterstück erarbeitet werden.

Im Projekt werden Impulse gesetzt, Begegnungen ermöglicht

Eines unserer Anliegen ist es, exemplarisch den Lebens- und Leidensweg von ‚Euthanasie‘-Opfern zu erforschen und nachvollziehbar darzustellen“, sagt Karl Porges. Mittel der Wahl wird eine Graphic Novel sein, die ein Einzelschicksal in den Mittelpunkt rückt. Ein Theaterstück greift diese künstlerische Auseinandersetzung auf und führt sie auf der Bühne fort. Das Besondere dabei: Das Stück bezieht Menschen mit Handicap ein. „Wir wollen Impulse setzen, Begegnungen ermöglichen“, sagt Karl Porges. Gebe es doch bis heute Berührungsängste, faktisch im Sinne des Wortes. Zu den weiteren Aktivitäten gehören ein Workshop für angehende Krankenpflegerinnen und Krankenpfleger, Fortbildungen für Lehrkräfte sowie ein internationales Symposium. Zunächst sollen aber zahlreiche Einzelfälle erforscht und dokumentiert werden. Von denen gebe es mehr als genug – im „Mustergau“ Thüringen gab es besonders eifrige Verfechter der Rassenlehre im Dritten Reich. Als führend wäre die sogenannte Rassen-Quadriga zu nennen, mit Karl Astel, Gerhard Heberer, Hans F.K. Günther und Victor Julius Franz. Weniger bekannt oder in Vergessenheit geraten seien hingegen die Orte der Krankenmorde: Krankenhäuser, Heil- und Pflegeanstalten.

Finanzierung durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung, Zukunft

Zu den Projektpartnern gehören neben der Arbeitsgruppe Biologiedidaktik der Friedrich-Schiller-Universität Jena der Lernort Weimar e. V. sowie das Jugendtheater Stellwerk Weimar. Unterstützung erhalten sie u. a. von der Gedenkstätte Buchenwald, dem Lebenshilfe-Werk Weimar/Apolda e. V. sowie dem Thüringer Institut für Lehrerfortbildung, Lehrplanentwicklung und Medien (ThILLM). Finanziert wird das Projekt durch Fördergelder des Bundeministeriums der Finanzen (BMF), verwaltet durch die Stiftung Erinnerung, Verantwortung und Zukunft (EVZ) aus Berlin. Die Fördersumme beträgt knapp 390.000 Euro, das Projekt hat eine Laufzeit von zwei Jahren. Gefördert wird das Projekt im Rahmen der Ausschreibung „Künstlerische Auseinandersetzung mit den Verbrechen der NS-‚Euthanasie‘“. Neben Projektleiter Karl Porges werden die wissenschaftliche Mitarbeiterin Steffi von dem Fange beteiligt sein sowie Jonny Thimm und Dörte Ernst vom Verein Lernort Weimar. Für die Entwicklung der Lehr- und Lernmaterialien ist Carla Porges zuständig. Um eine möglichst große Reichweite zu erreichen, soll es u. a. eine eigene Projekt-Homepage und kontinuierliche Informationen über Social Media-Kanäle geben.

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