Die Blauflügel-Prachtlibelle hält sich vor allem an Flüssen und Bächen auf.

Libellen: Gewinner und Verlierer in Deutschland

Einige Libellenarten leiden unter dem Verlust ihres Lebensraumes, während andere Arten von verbesserter Wasserqualität und wärmerem Klima profitieren
Die Blauflügel-Prachtlibelle hält sich vor allem an Flüssen und Bächen auf.
Foto: Andre Günther
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Meldung vom: | Verfasser/in: Kati Kietzmann | Zur Original-Meldung

In den vergangenen 35 Jahren hat sich bei der Verteilung der Libellenarten in Deutschland viel getan. So wurden Rückgänge vor allem bei Arten an stehenden Gewässern verzeichnet. Zuwächse gab es hingegen bei Libellen, die an Fließgewässern leben und wärmere Temperaturen bevorzugen. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Studie unter Leitung des Deutschen Zentrums für integrative Biodiversitätsforschung (iDiv), der Friedrich-Schiller-Universität Jena und des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung (UFZ). Die Studie, die im Fachmagazin "Diversity and Distributions" veröffentlich wurde, unterstreicht die Bedeutung von Bürgerwissenschaften und Naturkundegesellschaften für die Datenerhebung sowie von Naturschutzmaßnahmen zur Verbesserung der Biodiversität.

Deutschland ist das Land mit den meisten Libellenarten in Europa, was vor allem an der Vielfalt von Lebensräumen und Klimata hierzulande liegt. Während viele aktuelle und vor allem lokal angelegte Studien auf einen langfristigen Rückgang der Insektenpopulationen in verschiedenen Teilen Europas hinweisen, zeigen Untersuchungen der Frischwasserinsekten – einschließlich der Libellen – bei einigen Arten einen gegensätzlichen Trend. Ein Forschungsteam hat nun eine landesweite Untersuchung des Vorkommens und der Verbreitung von Libellen in Deutschland vorgestellt, die sich auf den Zeitraum von 1980 bis 2016 bezieht. Dafür analysierte das Team über eine Million Dateneinträge zum Vorkommen von 77 Arten aus verschiedenen regionalen Datenbanken. Die meisten Daten wurden von ehrenamtlichen Bürgerforschenden gesammelt und von der Gesellschaft deutschsprachiger Odonatologen (GdO) zusammengeführt.

Verlust von Lebensraum gefährdet Arten an stehenden Gewässern

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler stellten sowohl Zu- als auch Abnahmen fest. Besorgt zeigen sie sich über den Rückgang bei Arten, die an stehenden Gewässern leben. Abnahmen wurden bei 29 % aller Libellenarten festgestellt. Besonders betroffen sind dabei die Arten, die kühlere Temperaturen und stehende Gewässer wie Sümpfe und Moore bevorzugen. Viele dieser Arten sind bereits gefährdet. Sie sind auf kleine oder flache Gewässer angewiesen, die durch Trockenheit und niedrige Grundwasserspiegel immer seltener werden. „Diese Arten leiden sehr unter dem Rückgang ihres Lebensraumes. Hier sehen wir noch immer große Herausforderungen für den Schutz und Erhalt dieser Habitate“, sagt Erstautorin Dr. Diana Bowler.

Die Studie legt nahe, dass vor allem Libellenarten, die an kühlere Temperaturen und stehende Gewässer angepasst sind, durch weitere Umweltveränderungen einschließlich den Klimawandeln besonders gefährdet sind.

Wärmeliebende und Fließgewässer-Arten auf dem Vormarsch

Die Ergebnisse der Studie zeigen Zuwächse beim Vorkommen von 45 % aller Libellenarten, größtenteils handelt es sich dabei um wärmeliebende Arten. „Bislang seltene Arten wie die Feuerlibelle und das Kleine Granatauge sind mittlerweile in Deutschland viel häufiger geworden“, meint Diana Bowler. „Diese Arten bevorzugen wärmere Temperaturen, ihre Zuwächse in Deutschland liegen also höchstwahrscheinlich am langfristigen Klimawandel.

Unter den Gewinnern sind auch Arten an Fließgewässern, was auf erste Erfolge entsprechender Schutzmaßnahmen hindeutet, die durch besseres Umweltmanagement erzielt wurden. „Die Zuwächse bei diesen Arten zeigen eine Erholung von den Auswirkungen früherer Wasserverschmutzung und der fast vollständigen Zerstörung natürlicher Flussauen“, sagt Klaus-Jürgen Conze, Vorsitzender der GdO. In Deutschland wurden erste Projekte zur Verbesserung der Frischwasserqualität und zum Schutz von Fließgewässern bereits in den 1990ern ins Leben gerufen. Die EU-Wasserrahmenrichtlinie wurde im Jahr 2000 verabschiedet.

Wertvoller Beitrag durch Ehrenamtliche

Ein Großteil der Daten wurde von ehrenamtlichen Bürgerwissenschaftlern und -wissenschaftlerinnen sowie Naturkundegesellschaften wie der GdO zusammengetragen. „Unsere Studie unterstreicht den großen Beitrag, den dieses Engagement und die Fachexpertise dabei leisten, das Vorkommen von Arten zu untersuchen. Unsere Ergebnisse deuten auf einen stärkeren Rückgang in den letzten zehn Jahren hin, was deutlich macht, wie wichtig die Unterstützung durch Fachgesellschaften und Bürgerwissenschaften auch in der Zukunft sein wird“, sagt Letztautorin Prof. Dr. Aletta Bonn.

Diese Studie wurde u. a. durch die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG; FZT 118) im Rahmen des Projektes “sMon - Biodiversitätstrends in Deutschland” gefördert. sMon ist ein iDiv-Syntheseprojekt mit dem Ziel, exemplarische Datensätze zu verschiedenen Taxa und Habitaten zusammenzuführen und die Möglichkeiten und Grenzen für die Analyse von Biodiversitätsveränderungen auszuloten. Darauf aufbauend sollen Perspektiven für zukünftige Monitoring-Programme in Deutschland abgeleitet werden. sMon bringt Vertreterinnen und Vertreter der Landesämter aller Bundesländer, Mitglieder verschiedener Fachgesellschaften sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zusammen.

Information

Original-Publikation:

Diana E. Bowler, David Eichenberg, Klaus-Jürgen Conze, Frank Suhling, Kathrin Baumann, Theodor Benken, André Bönsel, Torsten Bittner, Arne Drews, André Günther, Nick J.B. Isaac, Falk Petzold, Marcel Seyring, Torsten Spengler, Bernd Trockur, Christoph Willigalla, Helge Bruelheide, Florian Jansen, Aletta Bonn (2021): Winners and loser over 35 years of dragonfly and damselfly distributional change in Germany. Biodiversity and Distribution, https://doi.org/10.1111/ddi.13274Externer Link